Wie leitet man als Organisation einen bewussten Veränderungsprozess ein, wenn andere lokale sowie nationale Unternehmen und das öffentliche Interesse bei diesem Schritt mit ins Boot geholt werden müssen? Dieses Fallbeispiel zeigt anhand eines regionalen Tarifverbunds, wie eine Gesprächsgrundlage geschaffen werden kann, wenn eine Vielzahl von Interessen und Faktoren beim Veränderungsprozess mitgedacht werden müssen.

Ausgangssituation und Ziel

Ein regionaler Tarifverbund lud zum grossen Workshop ein. Mit dabei: Vertreter des Tarifverbunds und beteiligte Verkehrsverbünde, die Bundesbahnen, lokale Politiker, externe Referenten und ich, mit Flipchart und Stift bewaffnet.

Der Grund des Zusammenkommens

Das regionale Ticketsystem, soll moderner gestaltet und so an veränderte Kaufverhalten (online, mobil) angepasst werden. Im Best Case Szenario springen sogar zusätzliche Ticketerlöse heraus. Der neue Fokus auf Ticketkäufe via Smartphone eröffnet dabei gänzlich neue Möglichkeiten, den regionalen öffentlichen Personenverkehr zu strukturieren.

Die Fragestellungen

Es stellte sich also die Frage: Soll die Umgestaltung des regionalen Ticketsystems gleichzeitig genutzt werden, um ein Paradigmenwechsel des öffentlichen Nahverkehrs einzuleiten?

Ein denkbares Szenario wäre eine Erweiterung des Zonensystems um ein dynamisches Preisgestaltungselement, das sich am aktuellen Passagieraufkommen orientiert.

Das erhoffte Ergebnis dieser Massnahme: Reduzierte Verkehrsspitzen. Fahrgäste verteilen sich auf verschiedene Linien und Uhrzeiten. In Summe weniger überfüllte Bahnen und Busse. Allerdings bedürfte solch ein Schritt politische Unterstützung und eine enge Absprache mit Betreibern, anderer Verkehrsverbünde sowie der Bundesbahnen.

Die Prämissen

Im Vorfeld des Workshops formulierte der Tarifverbund 16 Prämissen, die bei der Umgestaltung zu berücksichtigen seien. Viele Parteien treffen auf viele Prämissen. Eine konstruktive Diskussion ist so beinahe unmöglich.

Das Ziel

Das Ziel des Workshops war es, Struktur und Klarheit in diese Gemengelage zu bringen.

Lösung: Mit Visual-Templates Prioritäten schaffen

Wie schafft man es nun, in dieser komplexen Gemengelage das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen? Denn das ist zwingende Voraussetzung, um die Grundlage für zukünftige, fortführende Gespräche zu legen.

Welche Prämissen sind für alle Parteien kritisch? Welche sind weniger kritisch, können aber mit wenig Aufwand und Widerstand umgesetzt werden?

Diese Klarheit bringt Papier, Stift und eine visuelle Darstellung. Als Methode wählte ich sogenannte Visual-Templates. Jede Prämisse erhält eine einzelne Karte. Sie wird aufgeschrieben und an die Wand gehängt. 
So sieht ein Visual-Template für die Klärung jeder einzelnen Prämisse aus:

Grafisches Template mit Fragen

Zu sehen sind eine Skala der Kritikalität und drei Spalten für Argumente und Bewertungen.

Jede Partei darf jetzt einen Strich in der Kritikalitätsskala machen. So wird für jeden schnell ersichtlich, welche Prämissen von allen Parteien als kritisch erachtet werden. Eine erste Priorisierung findet statt.

Danach werden auf qualitativer Ebene Argumente und Einwände gesammelt und auf der jeweiligen Karte festgehalten. Diese finden unter den Kategorien Dafür, Dagegen oder zu klären ihren Platz.

Mit der Auszählung der Kritikalität und den eingeordneten Argumenten lässt sich eine Gesamtbewertung ausrechnen. Das Endergebnis - konsolidiert in einer Excel-Tabelle:

Excel Tabellenausschnitt einer Auswertung

Eine Tabelle reicht aus, um zu zeigen, welche Prämissen für alle Parteien kritisch sind, siehe Spalte avg. Gleichzeitig sieht man in der Spalte AW, an welchen Punkten es noch Einwände und Klärungsbedarf gibt.

Fazit

Die Visual-Templates haben sich somit bestens bewährt, um fortschrittliche Ideen in die reale Welt bringen – in dem konkreten Fall die nächsten Schritte zu einem modernen und effizienten Tarifsystem einzuleiten.